Kampf dem Telefonspam

Montag 06.03.2017 Christian Walter
Christian Walter

Christian Walter ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter von swiss made software. Bis Ende 2010 arbeitete er als Fachjournalist für das ICT-Magazin Netzwoche, publizierte zuletzt aber auch im Swiss IT Magazin, der Computerworld sowie inside-it.

Nicht nur im Internet machen ­Spammer und andere Betrüger Jagd auf Unbedarfte, sondern auch via Festnetz. Das Start-up Katia will für Abhilfe sorgen.

600’000 Werberufe klingeln täglich auf dem Schweizer Festnetz. Abhilfe verspricht das Start-up Katia, auf dessen Lösung auch Swisscom setzt. (Quelle: Swisscom)

Wer kennt die Situation nicht? Es ist Abend, man sitzt zu Hause, besinnlich, beschliesst den Tag, und da läutet das Telefon. "Guten Tag, wollen Sie eine neue Versicherung/Aktien/Frau/Mann?" Binnen Sekunden steigt der Blutdruck oder, schlimmer, man fängt an, mit dem Unbekannten zu reden.

Während die meisten Menschen dies nur gelegentlich erleben, sind manche Mitbürger regelmässig Ziel solchen Telefon-Spams. Das Problem ist nicht gerade klein. Gemäss Swisscom erfolgen im Schweizer Festnetz täglich etwa 600’000 Werbeanrufe. Den Kampf dagegen hat das Schweizer Start-up Katia aufgenommen. Das Unternehmen hat eine Lösung entwickelt, die in die Infrastruktur eines Telcos integriert wird und solche Anrufe automatisch blockieren kann.

Blockieren oder nicht

Kernelement ist eine Datenbank. Alle Anrufe im Netz eines Telcos werden damit automatisch auf Spam gegengeprüft. Damit das gut funktioniert, muss die Datenbank ständig optimiert werden. Dafür stehen eine Reihe verschiedener Quellen zur Verfügung: so zum Beispiel das gesamte tägliche Telefonaufkommen eines Kunden. Dieses wird mittels hauseigener Algorithmen nach auffälligem Verhalten durchforstet. Wurden zum Beispiel von einer einzelnen Nummer aus sehr viele Anrufe innerhalb kurzer Zeit gemacht, besteht der Verdacht auf Robo Calls. Dieser Verdacht kann anschliessend durch weitere Tests erhärtet werden. Parallel werden einschlägige Webseiten im Internet nach verdächtigen Nummern durchsucht. Auch diese Ergebnisse reichern die Datenbank an. Eine dritte Quelle sind VoIP-Telefone. Hier steht die Katia-Software im Austausch für Telefoniedaten gratis für Privatpersonen zur Verfügung.

Katia kann aber noch mehr, denn neben klassischen Spammern machen noch andere Arten von Betrügern die Telefonnetze unsicher. Weit verbreitet ist leider auch das Spoofing. Hier täuscht ein Anrufer dem System eine falsche Nummer vor, um seine Identität zu verschleiern. Solche Anrufer geben sich gern als Support-Mitarbeiter von Firmen wie Microsoft aus, um an vertrauliche Daten zu gelangen. Auch hier hilft der Katia-Algorithmus. Einerseits im Nachhinein, um irreguläres Verhalten zu entdecken, und andererseits bereits während eines Anrufs, um anhand von Regeln Bedrohungen auszuschalten.

Bei Katia achtet man allerdings gleichzeitig darauf, nicht alle Call-Center zu blockieren. Das Bundesamt für Statistik zum Beispiel wird explizit ausgenommen, genauso wie Call Center, die nach ethischen Gesichtspunkten arbeiten. "Solange es keine grossen Beschwerden gibt, können bestimmte Anbieter arbeiten", erklärt Maxime Winkler, Gründer und CEO.

Spam und Spoof

Den Anstoss für Katia gab, wie so oft, ein eigenes Bedürfnis. "Mir versuchten diverse Anrufer dauernd, Wein zu verkaufen", erzählt Winkler. Daraufhin suchte er nach einer Lösung, um Spam-Calls zu blockieren, konnte aber keine finden. In Folge entwickelte er zuerst eine Box, die Endkunden an ihr Telefon anschliessen konnten. Zusammen mit der Fédération romande des consommateurs verkaufte er über 3500 dieser Boxen. Deren Wartung gestaltete sich aber auf Dauer schwierig. Dennoch erlaubten ihm die so gewonnenen Kenntnisse relativ schnell, auf eine reine Softwarelösung umzusatteln. 2015 gründete er Katia und konnte mit dem Walliser Telco Net+ sowie dem Giganten Swisscom bereits erste Kunden gewinnen.

Um den Dienst zu gebrauchen, ist allerdings ein Opt-in nötig. "Kunden von Swisscom und Net+ können Katia für das Festnetz einfach via ihren Account aktivieren", erklärt Winkler. Eine mobile Lösung wäre zwar auch möglich, meint der Unternehmer, aber bisher gab es dafür noch kein Interesse. Zurzeit ist das Unternehmen auf Kundenakquise und will bald auch im Ausland tätig sein.