Urs Binder ist freischaffender Journalist mit einem Fokus auf ICT.
Im Thurgau bearbeiten Gemeindesteuerämter und die kantonale Steuerverwaltung die Dossiers der natürlichen Personen vollelektronisch. Zentrales Element für die Rechtssicherheit ist ein Archiv mit digital signierten PDF/A-2-Dokumenten.
Zwei 24-Zoll-Bildschirme, ein IP-Telefon, keinerlei Papierstapel: In der Steuer-
verwaltung Thurgau und auf den Steuerämtern der 80 Gemeinden des Kantons wirken die Arbeitsplätze der Veranlagungsexperten und Steuersachbearbeiter stets aufgeräumt. Das war nicht immer so. Bis im Herbst 2011 wurden die jährlich rund 160'000 Steuererklärungen direkt in den Gemeinden in Papierform archiviert und mussten für Rückfragen und Nachrecherchen immer wieder aus dem Archiv geholt werden.
Zwar wurden die Angaben aus den Steuererklärungen in der Fachapplikation
abx.eva erfasst, die der Kanton Thurgau seit 2000 als Veranlagungslösung einsetzt. Dennoch war es später oft nötig, die Originaldokumente und Belege nochmals einzusehen.
Die sichere Lagerung und Bewirtschaftung dieses tonnenschweren Papierbergs beanspruchte die räumlichen und personellen Ressourcen der Gemeinden immer stärker, zumal der Kanton jedes Jahr um einige tausend Einwohner wächst. Die Gemeinden suchten deshalb eine Lösung nach dem Prinzip «weg vom Papier». Zusammen mit der kantonalen Steuerverwaltung wurden Massnahmen zur Verbesserung der Archivlogistik und zum kantonsweit einheitlichen Umgang mit den Steuererklärungen eingeleitet. Ein Schritt zur Effizienzsteigerung war 2006 die Fallautomation: Auf Basis eines Vorjahresvergleichs sämtlicher Deklarationsziffern gelangen nur diejenigen Steuererklärungen zur manuellen Überprüfung, bei denen Toleranzwerte des Regelwerks überschritten werden. Alle übrigen Fälle verarbeitet die Fachapplikation automatisch weiter. Bereits damit liess sich die
Effizienz spürbar verbessern. Das Problem der zu archivierenden Papiermassen war jedoch nicht gelöst.
Vollelektronische Dossierverwaltung
Im Projekt «Full-Tax» entwickelte die Steuerverwaltung zusammen mit den Gemeinden und einem Dokumentenmanagement-Partner von 2010 bis 2012 eine kantonsweite Lösung zur vollelektronischen, durchgängig papierlosen Führung der Steuerdossiers.
Die auf Papier eingegangenen Steuererklärungen – rund 79 Prozent davon mit den Programmen FISC, ProfiTax und Dr. Tax erstellt und ausgedruckt –werden in den Gemeinden nach wie vor auf Vollständigkeit und korrekte Unterschrift vorkontrolliert. Je nach anfallendem Volumen – in der Regel alle ein bis vier Wochen – bringt ein Transport die gesammelten Akten ins zentrale Scan-Center Thurgau, das im Gebäude der kantonalen Steuerverwaltung eingemietet ist und von einer externen Firma betrieben wird. Dort werden im Rahmen der Arbeitsvorbereitung zunächst Trennblätter eingefügt, um alle Belege korrekt den zugehörigen Registern der digitalen Steuererklärung zuzuweisen. Dann werden die Akten im Batchverfahren gescannt und maschinell als PDF-Dokumente mit optimiertem Datenvolumen aufbereitet. Diese Rohdaten werden anschliessend in das Langzeitarchivformat PDF/A-2 konvertiert, digital signiert und dem Archiv übergeben.
PDF/A-2 und digitale Signatur
Auch die rund 22 Prozent an elektronisch eingegangenen Steuererklärungen – dafür nutzen die Thurgauer Steuerpflichtigen seit 2013 die Applikation eFISC – sowie die Daten aus der Fachapplikation müssen archiviert werden. Dazu hat die Abraxas Informatik AG die Integrationsplattform ECM.ip entwickelt. Sie bindet die Steuerlösungen abx-tax.gov und abxtax.pub an die Archivplattform an, nimmt Dokumente und Metadaten aus verschiedenen Quellen entgegen und bereitet sie den Archivkonventionen entsprechend bis zum PDF/A-2 Dokument auf.
Die Konvertierung der gescannten PDF-Dokumente ins Format PDF/A-2 übernimmt der 3-Heights PDF to PDF/A Converter von PDF Tools AG. Für die Aufteilung in standardkonforme einzelne Seiten hat Abraxas die Komponente PDF Merge & Split in die ECM.ip-Lösung integriert. Vor dem definitiven Eingang ins Archiv prüft ein PDF/A-Validator alle Dokumente auf Standardkonformität.Essenziell für die rechtssichere Archivierung ist die digitale Signatur der Rohdaten. Sie garantiert, dass die Dokumente nach dem Scannen nicht manipuliert wurden und somit beweiskräftig bleiben. «Die Bedeutung der digitalen Signatur wurde uns im Projektverlauf immer stärker bewusst», hält Full-Tax-Projektleiter Fabian Dux fest. «Ein Gutachten von Dr. Hans Bärfuss, CEO der PDF Tools AG, zur rechtlichen und technischen Beurteilung der Full-Tax-Architektur hat uns überzeugt, dass die gewählte Lösung und das Archivformat PDF/A-2 für unsere Bedürfnisse ideal sind.»
Papierloses Arbeiten
Parallel zu den Rohdaten, die alle eingereichten Papierseiten ohne jede Änderung originalgetreu wiedergeben, generiert der Prozess sogenannte Nutzdaten. Sie werden für die Bearbeitung im Dokumentenmanagementsystem OS|ECM optimiert – zum Beispiel durch Schärfen, Geraderichten oder Entfernen leerer Seiten sowie durch Ergänzung mit Metadaten.
Die elektronischen Dossiers stehen den Gemeindesteuerämtern und den Veranlagungsexperten und Wertschriftenspezialisten der Steuerverwaltung zur Verfügung. Die Sachbearbeiter arbeiten heute fast völlig ohne Papier: Sie behandeln die Steuerfälle unabhängig des physischen Standorts der Akten mit Hilfe der Fachapplikation und des Dokumentenmanagementsystems (DMS). Zeitaufwendige Rückfragen, wo sich eine bestimmte Akte gerade befindet, entfallen. Das DMS zeigt in Form von Workflows genau an, auf welcher Bearbeitungsstufe das Dossier steht und ermöglicht es, Dokumente zu delegieren und die Bearbeitung zu überwachen.
Die Gesamtlösung ist so ausgelegt, dass beispielsweise beim Aufruf eines Dossiers in der Fachapplikation automatisch das zugehörige gescannte Bild der Steuererklärung erscheint. Im Viewer erhalten die Spezialisten einen Gesamtüberblick mit Thumbnails aller Belege sowie Detailansichten der einzelnen Seiten. Sie können die Belege mit Kommentaren versehen und mit verschiedenen Symbolen annotieren. Auch ein direkter Vergleich der aktuellen mit vergangenen Steuerperioden ist möglich – die Dossiers werden dabei nebeneinander dargestellt, sodass Veränderungen sofort sichtbar werden.
«Anfangs gab es bei den Anwendern gewisse Widerstände – es war ja ein Eingriff in die gewohnten Arbeitsabläufe», meint Fabian Dux. «Nach einer gewissen Einarbeitungszeit geniesst die Lösung heute jedoch eine hohe Nutzerakzeptanz und kommt auch den Steuerpflichtigen entgegen. Sie erhalten dank massiv schnellerem Aktenzugriff besser und schneller Auskunft.»
Und die Steuerämter der Gemeinden werden wie gewünscht logistisch entlastet: Nach dem Scannen wird das Papier gesammelt und periodisch sicher vernichtet. So ist nach dem Scannen ein unbefugter Aktenzugriff durch Dritte ausgeschlossen.
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