Interview Beat Bussmann: «Ein zuverlässiger Partner, kein säbelrasselnder»
Mit 130 Mitarbeitenden und über 500 Kunden macht sich die Krienser Softwareschmiede Opacc auf den Weg in die nächsten 30 Jahre. Das Ausland ist dabei immer noch irrelevant.
Mehr über Beat Bussmann- Christian Walter:: Herr Bussmann, Opacc wird 30. Mit 500 Kunden ist ihr Unternehmen eine Schweizer Erfolgsgeschichte, aber keine internationale Grösse. Stört Sie das?
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Beat Bussmann:: Nein. Um eine internationale Software-Grösse zu werden, muss man eine Fabrik betreiben. Das war nie meine Vision eines innovativen und qualitätszentrierten Softwareunternehmens.
- Was meinen Sie mit Fabrik?
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Es gibt zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege, erfolgreich komplexe Software zu entwickeln: entweder mit Heerscharen spezialisierter Entwickler, überwacht von noch mehr Aufpassern, oder mit Teams motivierter Individuen, die den Überblick über das Ganze haben und ebenso eigenverantwortlich wie lustbetont arbeiten. Das Erste ist die Fabrik, das Zweite ist die Herzfrequenz von Opacc. Nur so war es uns möglich, in 30 Jahren kontinuierlich eine immer leistungsfähigere Plattform zu schaffen, mit der die Kunden mitwachsen konnten und können.
- Widerspricht das nicht dem Prinzip der schnelllebigen IT-Branche – Move Fast and Break Things?
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Die IT ist ein sehr weitläufiges Feld. Man kann also nicht jedes IT-Unternehmen an diesem Grundsatz ausrichten – vor allem nicht, wenn es bei den Kunden um mittelständische Unternehmen geht, die ihre lebenswichtigen Prozesse mit unserer Plattform abwickeln und diese immer mehr mit ihrer Organisation und Einzigartigkeit verzahnen. Solche Unternehmen brauchen eher einen zuverlässigen als einen säbelrasselnden Partner.
- Was heisst das konkret?
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Wir wachsen stets mit unseren Kunden. Sie legen uns ihre Herausforderungen, Anforderungen und Chancen offen. Damit im Einklang haben wir unsere Enterprise-Plattform konstruiert und adaptiert. Hierzu gehören ein belastbares Business Process Modell und eine langfristig gültige Architektur. Das ist die Grundlage, auf der wir neue Herausforderungen und Chancen stets mit konkreten Funktionen adressieren können. Die darauf fussenden Technologien sind schnelllebig und werden immer wieder gewechselt – allerdings ohne je den garantierten Upgrade-Pfad unserer Kunden zu gefährden. Unser Job ist nicht Disruption, unser Job ist Kontinuität und Verlässlichkeit. Damit geben wir unseren Kunden die Mittel, mit disruptiven Veränderungen erfolgreich umzugehen.
- Das ist ein schöner Marketingslogan.
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Es ist doch perfekt, wenn sich die Unternehmensstrategie auch als Marketing-Slogan eignet, oder? Im Endeffekt heisst es, dass wir die Chancen unserer Kunden zu unseren Chancen machen. Und die Herausforderungen dabei sind vielfältig – denn wir bedienen Kunden in vielen Branchen und Unternehmensstrukturen.
- Lassen sich Langlebigkeit und schnelle Expansion nicht doch vereinen?
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Nein. Wenn man zu schnell wächst, muss man Kompromisse bei Architektur und Design machen. Sonst kann man ein komplexes System nicht permanent in alle Richtungen erweitern. Anders lassen sich die explodierenden Anforderungen auf Ebenen wie Funktionalität, Technologie und Architektur nicht bewältigen. Es gibt zahlreiche Beispiele von Anbietern, die diesen Weg gehen. Um die Lücken zu schliessen, kaufen sie Unternehmen und Anwendungen auf, wodurch die Homogenität ihrer Anwendungslandschaft leidet. Den Preis zahlen die Kunden im Betrieb, denn solche Systeme absorbieren unfassbar grosse Ressourcen, nur schon um sie am Laufen zu halten. Unseren Kunden stehen diese Ressourcen hingegen für Produktivitätsgewinne und Innovationen zur Verfügung.
- Was tut sich zurzeit in der Opacc Cloud?
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Viel. Die ersten Opacc Cloud-Anwendungen gab es schon 2008. Seit Herbst 2017 sind sie nun alle aus der Cloud verfügbar. Jetzt arbeiten wir am nächsten CloudService Level. Unter dem Label CloudIntegrationServices werden wir bald Daten und Dienste von Drittanbietern zur Verfügung stellen: Währungskurse, SMS-Versand, Bonitätsprüfungen, E-Invoicing, digitale Zeitstempel und Newsletter-Management sind bereits in der Pipeline. Die Kunden können das alles per Klick aktivieren.
- Was treibt die Cloud-Nachfrage an?
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Kostendruck, Verfügbarkeit und Sicherheit – trotzdem bin ich vom Ausmass überrascht. Vor einigen Jahren war ich noch sehr skeptisch und konnte mir kaum vorstellen, dass Unternehmen ihre Business-Daten externalisieren. Mittlerweile geschieht dies bei jedem zweiten Bestandskunden, sobald ein Hardware-Wechsel ansteht. Sie vergleichen Kosten, Sicherheit und Verfügbarkeit und geben uns dann ihre Daten. Bei Neukunden stehen unsere CloudServices sogar deutlich im Vordergrund.
- IT-Security ist jetzt auch für Opacc viel zentraler, oder?
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Ja, sie ist in der Tat sehr zentral, denn alles, was digital zugänglich ist, ist nicht sicher. Die digitale Sicherheit ist aus meiner Sicht ein Thema, das man gar nicht ernst genug nehmen kann. Wir investieren viel in den Schutz unserer Kundendaten. Dies unabhängig davon, ob sich diese beim Kunden oder in unserem CloudCenter beenden.
- Opacc setzt voll auf Swiss Made. Warum?
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Ich bin überzeugt, dass die Schweiz einer der besten Orte ist, um komplexe und nachhaltige Softwaresysteme herzustellen. Wir haben gut ausgebildete Spezialisten, eine Kultur, die auf Arbeitseinsatz und Qualität setzt, und Menschen, die ihren Job mit Begeisterung machen. Für anspruchsvolle Kunden gibt es keinen besseren Ort, einen guten Anbieter zu finden.
- Wo sehen Sie die grossen Herausforderungen der nächsten Jahre?
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Auf die Gefahr hin, dass das jetzt abgedroschen klingt: in der Digitalisierung. Ich habe schon einige Hypes mitgemacht und man entwickelt eine Art Radar für tiefgreifende Umwälzungen und solche, die in der Marketingabteilung erfunden wurden. Was jetzt unter dem Schlagwort Digitalisierung auf uns zukommt, wird noch lange hohe Wellen schlagen.
- Sind wir nicht alle schon seit den 80ern digital?
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Wenn wir Geschäftsprozesse standardisieren, integrieren und automatisieren, können wir auch von digitalisieren sprechen. Aber die aktuelle Definition von Digitalisierung sprengt diesen Rahmen massiv; heute werden sowohl Produkte wie Produktionsverfahren digital. In vielen Branchen führt das zu neuen Kundeninteraktionen und Lieferketten, ganze Produktions- und Handelsstufen entfallen. Plötzlich stehen also die Geschäftsmodelle im Zentrum – nicht mehr nur die dazugehörigen Prozesse. Es geht also nicht mehr nur um IT, sondern ums Business.
Vertrieb und Marketing haben sich bereits dramatisch verändert. Denken Sie nur an die gigantische Verschiebung der Werbeetats von Print zu Online. Marketing ist zu einer völlig neuen Disziplin geworden. Wo früher kreative Köpfe Drucksachen entworfen haben, führen heute Ingenieure und Mathematiker digitale Kampagnen durch. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern sehen sie den Erfolg ihrer Massnahmen in Echtzeit. Das ist eine richtige Revolution.
- Wie sieht die Rolle des ERP in dieser Welt aus?
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ERP – oder besser Enterprise-Software – muss den Kunden die Möglichkeit geben, die neuen Chancen zu nutzen. Damit unsere Kunden den digitalen Veränderungen folgen können, brauchen sie neue Features. Diese sprengen den üblichen Rahmen von Business-Software. Die eigenen und übrigen Plattformen, auf denen Kunden digital aktiv sind, müssen als Ganzes betrachtet werden.
- Man merkt Ihnen die Begeisterung an – auch nach über 30 Jahren IT.
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Das soll man auch! Ich werde dieses Jahr 60 und nach 30 Jahren Opacc bedaure ich eigentlich nur, dass ich wahrscheinlich nicht die ganzen nächsten 30 Jahre dabei sein darf.
Mehr davon...
... ...gibt es im neuen swiss-made-software-kompendium "swiss made software - die ersten 10 Jahre". Erhältlich als Print und eBook hier.
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