Christian Walter ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter von swiss made software. Bis Ende 2010 arbeitete er als Fachjournalist für das ICT-Magazin Netzwoche, publizierte zuletzt aber auch im Swiss IT Magazin, der Computerworld sowie inside-it.
Durch den Einsatz von E-Rechnungen sollen die Verwaltungskosten sinken. In der Schweiz nimmt die Energiebranche eine Vorreiterrolle ein und setzt zusammen mit Abacus und Innosolv auf medienbruchfreie Automatisierung für Geschäfts- und Privatkunden.
Das Thema E-Rechnung steht in vielen Verwaltungen ganz oben auf der Agenda. Lassen sich Menschen und Unternehmen bewegen umzusteigen, besteht erhebliches Einsparungspotenzial beim Postversand sowie durch die Automatisierung von Prozessen.
Durchschnittlich zwei Franken spart der Rechnungssteller mit einer elektronischen statt einer Papierrechnung. Für Empfänger wie zur Redigitalisierung gezwungene Unternehmen sind es sogar 15 Franken, wie eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz 2012 feststellte. Schon 2011 sollen durch E-Rechnungen 200 Millionen Franken gespart worden sein. Und das, obwohl der elektronische Rechnungsversand mit 12 Millionen E-Rechnungen im B2B-Bereich nur einen kleinen Teil des Gesamtvolumens von etwa 300 Millionen Rechnungen abdeckte.
Wahlfreiheit für Grosskunden
Stärker betroffen als andere Branchen ist die Energiewirtschaft – unter anderem durch die Liberalisierung des Strommarktes 2008. Seitdem dürfen Geschäftskunden ab 100'000 kWh Stromverbrauch pro Jahr und Bezugsobjekt ihren Energielieferanten unabhängig vom lokalen Netzbetreiber frei wählen. Sie erhalten aber trotzdem nur eine Rechnung. Gestellt werden muss diese
durch den Energielieferanten. Das macht ihn nicht nur zum Inkassoverantwortlichen des Netzbetreibers, es ist auch IT-technisch mit einigem Aufwand verbunden. Nicht zuletzt, da die Netzbetreiber gesetzlich verpflichtet sind, den Energielieferanten die Rechnung zuzustellen.
Es macht also Sinn, gleich den ganzen Prozess auf elektronischem Weg zu automatisieren. Auf diese Veränderungen im Energiemarkt haben die IT-Firmen Abacus und Innosolv reagiert und ihre Software mit weiteren Funktionen ausgestattet – vor allem dem Modul «Elektronischer Rechnungsempfang».
Keine Medienbrüche
Der in der Software abzubildende Prozess gestaltet sich wie folgt: Der Netzbetreiber schickt eine elektronische Rechnung an den Energielieferanten. Auf dieser Rechnung ist der Stromkunde vermerkt – zum Beispiel Müller AG, Zielstrasse 10, St. Gallen. Die Rechnung landet automatisch in der Abacus-Inbox des Lieferanten. Dessen System identifiziert den Kunden (Müller AG) und leitet die Rechnung an das Energie-Abrechnungssystem IS-E von Innosolv weiter. Dieses ergänzt die Energierechnung der Müller AG automatisch um die Netzkosten und verschickt die komplette Rechnung an den Kunden (Müller AG). Gleichzeitig meldet IS-E diesen Vorgang, sowie dass die Rechnung vom Netzbetreiber als Kreditorenbeleg verarbeitet werden kann, an das Abacus-System.
Soweit, so automatisch – bleibt nur noch die Erfassung des Kreditorenbelegs beim Endkunden (Müller AG). Sind dessen Systeme entsprechend ausgelegt, erfolgt auch dieser letzte Schritt automatisch. Vom Netzbetreiber über den Energielieferanten bis zum Energiekunden ist so kein einziger manueller Eingriff nötig. Der ganze Prozess ist vollautomatisch und medienbruchfrei möglich. Bisher war dieser Vorgang nicht selten mit mehreren Rechnungsbelegen verbunden, die per Post verschickt und teilweise händisch in die verschiedenen Systeme übertragen werden mussten. «Früher musste ein Sachbearbeiter zum Abtippen der Rechnungen abgestellt werden. Eine Rechnung zu erfassen kann schnell 15 Franken kosten», so Meinrad Egger, Product Manager bei Abacus.
Kein Wunder, dass eine Automatisierung als Segen angesehen wird. Auch der schieren Frequenz der Rechnungsstellung für Grosskunden wegen. Im Gegensatz zum Haushaltskunden erhalten diese ihre Rechnung monatlich. «Im Falle einer Liegenschaftsverwaltung mit hundert Objekten, die alle sechs Rechnungen im Jahr generieren, spart man leicht einige hundert bis tausend Franken», so Andreas Berglas, Abteilungsleiter bei den St. Galler Stadtwerken, wo Geschäftskunden schon seit 2009 E-Rechnungen erhalten können.
Erschwerend kommt hinzu, dass Grosskunden häufig Mischkunden sind. Das heisst, sie verfügen über zahlreiche Standorte, von denen aber nicht jeder 100'000 kWh pro Jahr verbraucht. Auch das muss die Software abbilden können. Schweizweit wurden 2013 etwa 17 Millionen E-Rechnungen im B2B-Umfeld verschickt. Nach wie vor also ein kleiner Teil der auf 300 Millionen geschätzten Rechnungen, aber dennoch ein Anstieg um 28,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Treiber sind Rechnungssteller mit hohem Aufkommen oder Grossorganisationen mit dezentralen Strukturen wie Gesundheitswesen, Detailhandel, Chemie/Pharma, Finanzindustrie oder öffentliche Verwaltungen. B2B ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere sind die 300 Millionen Rech-nungen, welche jährlich an Privathaushalte gesandt werden. Auch hier nimmt die E-Rechnung allmählich Fahrt auf.
Situation der Privathaushalte
Von den etwa 2,5 Millionen E-Banking-Kunden nutzen heute etwa 20 Prozent E-Rechnungen. Das Volumen betrug 2012 rund 10 Millionen Rechnungen. Zwar gibt es die Möglichkeit zur E-Rechnung schon seit 2003, aber damals waren es fast nur abenteuerlustige Menschen, die sich auf dieses Unterfangen einliessen. Die Technik war noch nicht ausgereift. Exemplarisch lässt sich die schweizweite Entwicklung am Beispiel St. Gallen zeigen. Dort hatte man früh die Zeichen der Zeit erkannt und zusammen mit Abacus und Innosolv ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Im ersten Jahr kam man trotzdem nur auf etwa 400 Kunden, wie AndreasBerglas berichtet. Richtig in Schwung
kam die E-Rechnung 2010, als in den E-Banking-Interfaces die ersten Pop-ups auftauchten. «Lieber Kunde, du hast gerade manuell bezahlt, willst du das nicht via E-Rechnung automatisieren?», hiess es dort. Heute sind es in St. Gallen rund 7000 Kunden und 42'000 E-Rechnungen. Die Anzahl Kunden steigt monatlich um etwa 300. Die Entwicklung ist also positiv, dennoch ist da viel Potenzial – allein in St. Gallen gibt es immer noch 38'000 «altmodische» Kunden.
Trotzdem müssen Netzbetreiber und Stromerzeuger weiter versuchen, mehr Kunden zum Umstieg zu bewegen. 2018 wird die Liberalisierung im Strommarkt auch auf Privatkunden ausgedehnt und die Kilowattgrenze für Geschäftskunden fällt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dies einen deutlichen Schub an Rechnungen auslösen wird und so den Automatisierungsdruck weiter erhöht. Doch das ist nicht alles. Zurzeit erfolgt die Rechnungsstellung in St. Gallen alle zwei Monate. Es besteht aber die Möglichkeit, dass in Zukunft die monatliche Rechnungsstellung auch bei den Privatkunden eingeführt wird. Damit würden sich Rechnungszahl und -kosten verdoppeln. In anderen Kantonen können die Kosten sogar noch stärker steigen. In Basel-Stadt werden zurzeit nur vier Rechnungen pro Jahr verschickt. Hier würden sich die Kosten demnach verdreifachen. Es gibt also genügend Anreize, auf eine möglichst effiziente Rechnungsstellung zu setzen – ausser jemand ergreift noch das Referendum und bringt die Liberalisierung damit aus dem Takt.
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