1997-2018 oder 21 Jahre Schweizer E-Government
E-Government ist in der Schweiz seit über 21 Jahren ein Thema. In den letzten 10 Jahren verstärkte sich das Engagement, wobei aber primär Undercover-Projekte erfolgreich waren. Doch seit dem letzten Jahr ist eine echte Beschleunigung sichtbar.
Alles begann im Juni 1997: Konkrete Themen waren damals elektronisch eingeholte Bewilligungen, öffentliche Ausschreibungen und die Veröffentlichungen von Landkarten und amtlichen Publikationen. Die «Group de Réflexion» für die Informationsgesellschaft in der Schweiz formulierte dazu die Forderungen «Der Bürger soll in Zukunft über elektronische Netze mit den Behörden in Kontakt treten können» und «Der Zugang der Bürger und Wirtschaft zur Information des Gemeinwesens ist durch den Einsatz neuer Medien (Internet, CD-Rom) zu verbessern.»
Im April 2001 fiel dann ganz offziell der Begriff E-Government: «Der Bundesrat hat vom Stand der Arbeiten am E-Government Kenntnis genommen und das Ganze gutgeheissen.» Im Februar 2002 verabschiedete der Bundesrat seine «eGovernment Strategie» (damals übliche Schreibweise). Anschliessend wurde der Standardisierungsverein eCH gegründet, der seither eine der wichtigsten Institutionen des Schweizer E-Government ist. 2005 aber folgte die kalte Dusche: Die Schweiz war Vorletzte im europäischen Benchmarking-Vergleich!
Die letzten 10 Jahre
In der Folge wurde 2007 die erste «nationale» E-Government-Strategie Schweiz verabschiedet, die alle föderale Ebenen einbezog. Sie festigte den Ruf der Schweiz als Sonderfall. Während der Rest der Welt den «Citizen» ins Zentrum der Bemühungen stellte, legte sich die Schweiz auf eine andere Priorisierung fest: zuerst Nutzen für die Wirtschaft, dann Verbesserung der internen Zusammenarbeit und erst dann Dienste für die EinwohnerInnen.
Zur Umsetzung beschlossen der Bundesrat und die Plenarversammlung der KdK (Konferenz der Kantonsregierungen) eine Rahmenvereinbarung. Sie war, inklusive einer Erneuerung im Jahre 2011, bis Ende 2015 gültig und regelte die nationale Zusammenarbeit. In der Praxis führte sie zu einem Handeln nach dem EffectuationPrinzip: Wer etwas tun wollte, wurde dazu animiert und informell gefördert. So entstand ein Portfolio aus 59 E-GovernmentProjekten, sogenannte «priorisierte Vorhaben». Von diesen wurden 26 bis Ende 2015 abgeschlossen.
Das vermutlich erfolgreichste Schweizer E-Government-Projekt überhaupt war das Projekt «B2.05 sedex», die sichere Datenaustauschplattform des Bundes, welche die digitale Volkszählung ermöglichte. Sie nahm Anfang 2008 ihren Betrieb auf und wird seither Jahr für Jahr für immer mehr Anwendungsfälle genutzt. Die Zustellzeit (inkl. Quittung) wurde von 13 Minuten auf 10 Sekunden reduziert. Mit 15 Millionen Nachrichten pro Jahr bildet Sedex heute den Backbone für die organisationsübergreifende Zusammenarbeit in der Verwaltung.
Eine wichtige Lernerfahrung war, dass das Infrastrukturprojekt Sedex der Politik erfolgreich undercover unter dem Label «Digitalisierung der Volkszählung» verkauft wurde. Im Fall der Einführung eines einheitlichen Unternehmensidenti kators gelang der Verkauf durch eine Folgenabschätzung zuhanden des Parlaments. Das Open Government Data-Portal des Bundes dagegen war ein von der Politik gewolltes Projekt, das von zahlreichen parlamentarischen Vorstössen pro tierte. E-Government, so haben wir gelernt, ist dann erfolgreich, wenn es entweder ein Trend-Thema aufgreift oder klaren Nutzen nachweist oder undercover segelt, möglichst unter der Flagge eines populä- ren Projekts.
Mit der neuen Strategie 2016–2019 ver- suchte man eine sehr sanfte Fokussierung auf die Ziele erstens Dienstleistungsorientierung, zweitens Nutzen und Effizienz, drittens Innovationen und Standort- förderung sowie viertens Nachhaltigkeit. Die Priorisierung und Mitfinanzierung erfolgt durch den Schwerpunktplan, dessen prominentestes Projekt das Online- Umzugsportal eUmzug ist.
2017 vollzog sich dann ein grosser Wandel. Das Eidgenössische Finanz- departement führte einen E-Government- Roundtable ein und begann mit dem Aufbau einer Digitalisierungsplattform, um Wissen zu teilen. Bundesrat Ueli Maurer flog persönlich zum Digital Summit der EU nach Estland, um die Tallinn Declaration für die Schweiz zu unterzeichnen. Nun fordert er das E-Government-Engagement aktiv ein und fragt nach, wenn einige nicht mitmachen. Deshalb dürfte es schon 2018 zu einer vorgezogenen Neuformulierung der nationalen E-Government-Strategie kommen. Die neue Flagge, unter der E-Government segelt, heisst Digitalisierung.
Aktueller Stand
Das Digitalisierungswissen in der Verwaltung ist noch gering, aber erste Initiativen, um Wissen zu teilen, finden statt.
Nachhaltige Innovationen werden noch dadurch verhindert, dass die Verwaltung lieber externe Experten für interne Innovationen mietet als Produktinnovationen in der Wirtschaft zu honorieren. Aber ein Umdenken beginnt. In der Verwaltungsinformatik stehen sich noch immer Ingenieure und Nicht-Ingenieure sprachlos gegenüber – doch gibt es erste Beispiele, die zeigen, dass es besser geht.
Bundesrat Maurers Engagement schafft die Möglichkeit einer Zeitenwende. Einzelne grossartige Projekte zeigen den Weg, beispielsweise das Projekt ZLPro der Stadt Zürich und die «Gemeinsame Informationsplattform Naturgefahren – GIN» der Eidgenossenschaft:
– ZLPro wurde für das Amt für Zusatzleistungen zur AHV / IV der Stadt Zürich realisiert. Es war das grösste Software-Projekt der Stadt Zürich der letzten zehn Jahre und wird mittlerweile in 16 Gemeinden des Kantons eingesetzt. ZLPro transformiert das Verwaltungshandeln radikal: Die Handhabung komplexer Aufgaben wird vereinfacht, was zu mehr Ef zienz und weniger Fehlern führt. Nach nur einem Tag wollte kein Mitarbeiter mehr darauf verzichten.
– GIN wurde durch das Bundesamt für Umwelt realisiert. Sie vereinfacht den Zugang zu kritischen Informationen
über Naturgefahren, indem sie Daten zusammenführt und Abonnements und das Teilen von Abo-Einstellungen ermöglicht. Letzteres führt dazu, dass in kritischen Situationen alle mit den gleichen Datensätzen operieren und auch Freiwillige schnell verstehen, auf welche Daten es ankommt.
So wie Sedex sind auch diese beiden Projekte kaum bekannt und quasi «undercover» erfolgreich. Sie zeigen, dass Zusammenarbeit und das Teilen von Lösungen möglich sind.
Ich kam im Jahr 2000 zum E-Government wie die Jungfrau zum Kind: im Rahmen eines Projekts zur Entwicklung systemnaher Software. Use Case war der internationale eUmzug. Meine Erfahrung seither ist, dass E-Government ein Peoples’ Business ist: Wichtig ist, dass es jeweils einige Top-Performer gibt, die hohes Wissen, ganzheitliches Denken und einen grossen Erfolgswillen besitzen und es schaffen, andere mitzunehmen. E-Government war in den letzten zehn Jahren dort erfolgreich, wo Menschen Probleme wirklich lösen wollten. So einfach ist das.
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