Christian Walter ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter von swiss made software. Bis Ende 2010 arbeitete er als Fachjournalist für das ICT-Magazin Netzwoche, publizierte zuletzt aber auch im Swiss IT Magazin, der Computerworld sowie inside-it.
DSGVO, Privacy Shield und Cloud Act: Wer hat hier noch den Durchblick? Das neue Label «swiss hosting» schafft Klarheit und garantiert, dass Daten die Schweiz nicht verlassen.
Ende 2019 kündigte Adobe allen Creative-Cloud-Nutzern in Venezuela die baldige Sperrung ihrer Konten an – und zwar ohne Anspruch auf Rückzahlung bereits entrichteter Gebühren. Grund war eine Direktive der amerikanischen Regierung, die Venezuela damals wie heute unter Sanktionen stellt. Dank kreativer Neuinterpretation der verantwortlichen Direktive wurde diese Entscheidung zwei Tage später wieder aufgehoben. Es war allerdings nicht das erste Mal, dass die US-Regierung Sanktionen auf Ebene technischer Dienste verhängt hat. 2009 blockierte beispielsweise Microsoft seinen Messenger-Dienst für die Länder Cuba, Syrien, Iran, Sudan und Nordkorea. Und gerade erst vor Kurzem wurde bekannt, dass einzelne Aspekte der Sprachen-App Duolingo dem sanktionierten Syrien nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen.
Dass Grossmächte – und solche, die es gerne sein wollen – ihre nationalen Interessen nunmehr auf Massnahmen ausdehnen, welche die Technologieneutralität verletzen, muss uns mehr denn je zu denken geben. Dies im Wesentlichen aufgrund dreier Entwicklungen, die derzeit zusammenfallen:
Deglobalisierung / Nationalismus
Ubiquität der Cloud
Konzentration der Anbieter
Seit der Finanzkrise 2008 sehen wir klare Tendenzen zur Deglobalisierung. Als Beispiele seien nur der Handelskrieg zwischen den USA und China genannt oder die Reibereien zwischen den Amerikanern und der EU in Bezug auf die Profite der US-Tech-Giganten. Kaum drohte hier die EU mit Besteuerung, kündigten die Amerikaner Importzölle auf europäische Produkte an. Vor wenigen Jahren war das noch undenkbar. Diese bereits fragile Situation wird durch die Covid-19-Pandemie zusätzlich verschärft, hat sich durch sie doch in aller Deutlichkeit gezeigt, wie abhängig wir alle von internationalen Lieferketten sind. Gleichzeitig forciert die Pandemie den zweiten Trend: den anhaltenden Umzug geschäftskritischer Anwendungen in die Cloud.
Abhängig vom FAANG
Was hier unter dem Deckmantel von Innovation und Effizienzsteigerung verkauft wird, könnte uns in Zukunft teuer zu stehen kommen. Denn es entstehen massive neue Abhängigkeiten. Dominiert wird die Cloud nämlich in vielen Bereichen durch ein amerikanisches Oligopol, das sogenannte FAANG – Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google. Einzig vergleichbar damit sind chinesische Dienste wie Alibaba oder Tencent. Europa kann hier zurzeit nicht gegenhalten.
Das ist auf mehreren Ebenen problematisch: Wie wir seit den Snowden-Enthüllungen wissen, können amerikanische Geheimdienste mehr oder weniger beliebig Daten absaugen. Die Bemühungen, dies etwas zu regeln, kulminierten 2016 im sogenannten Privacy-Shield-Abkommen zwischen den USA und der EU. Dieses sollte den Umgang mit exportierten Daten regeln und vor allem die Privatsphäre von EU-Bürgern auf amerikanischem Boden sichern. Die Amerikaner bauten aber gleich von Anfang an Klauseln zu dessen Aushebelung ein. Ende Juli 2020 wurde das Abkommen vom Europäischen Gerichtshof gekippt. Ob es jetzt zu einer Verbesserung kommt ist unklar. Doch damit nicht genug: Die US-Regierung unterstrich die eigene Anspruchshaltung durch den 2019 von Präsident Donald Trump unterzeichneten Cloud Act. Dieser weitet den unilateralen amerikanischen Datenanspruch auf jegliche Daten aus, die amerikanische Firmen auf fremden Hoheitsgebieten haben.
Profit dank Datensaugen
Dass es zur Datenherausgabe erst einer Aufforderung bedarf, ist dabei zumindest zweifelhaft. Dokumente aus dem Snowden-Archiv zeigen bekanntlich, dass die amerikanischen Geheimdienste häufig gar nicht erst fragen.
Die Problematik hört aber auch hier nicht auf; Amazon zum Beispiel hostet die CIA-Cloud. Wo da der Staat aufhört und das Unternehmen anfängt, ist unklar. Wer da wem, wie Wettbewerbsvorteile verschafft, sollte zumindest hinterfragt werden. Ähnliches dürfte für die anderen FAANG gelten. Doch auch hier sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Denn die grossen Cloud-Anbieter verkaufen ja nicht nur Infrastruktur, sondern auch Dienstleistungen. Diese werden mitunter von erfolgreichen Drittangeboten inspiriert, die man abgekupfert hat. Das wird einfacher, da ja alle Daten über Verwendung und Performance via eigene Plattform direkt zugänglich sind und so für die eigene Entwicklung verwendet werden können. Mehr noch: Selbst bei einer expliziten Suche nach dem Drittdienst kann man prospektiven Kunden stattdessen als Erstes die eigene Alternative fett in die Suchergebnisse schreiben, am besten gleich noch mit einem satten Rabatt. Der Fall Elastic Search zeigt das.
Leider sind wir noch immer nicht am Ende. Die FAANG dominieren mit einem Anteil von 20 Prozent den amerikanischen Aktienmarkt. Dieses Volumen verdanken sie den grossen Margen, die sich eigentlich immer im zweistelligen Bereich bewegen. Diese rühren aber nur teilweise von den echten und aussergewöhnlichen Innovationsleistungen dieser Firmen. Denn der Treibstoff der Entwicklung sind schliesslich die Daten, die gratis aus allen möglichen Quellen abgesaugt werden.
Ob es die Chinesen anders halten, ist zumindest fraglich: Es geht schliesslich ums Geschäft und warum sollten die verschiedenen Firmen nicht versuchen, Geld zu verdienen? Am Ende ist es aber mehr als ein Geschäft, wie die einleitend geschilderten Fälle zeigen. Was, wenn Schweizer Unternehmen nur noch Geschäfte machen dürfen, die von den Amerikanern abgesegnet werden? Was, wenn diverse Cloud-Dienste einfach abgeschaltet werden? Was, wenn ich auf ganz persönlicher Ebene nicht dauernd alle meine Daten gratis ins Ausland liefern will?
Dann wird es schwierig! Denn die Abhängigkeit in der Digitalisierung schreitet voran. Dominant sind vor allem die USA und China. Manchmal könnte man sogar denken, die Sache wäre schon gelaufen. Denn für gewisse Applikationen kommt man kaum mehr um die Marktführer herum. Zum Glück aber eben nicht für alle. Es gibt Alternativen – lokale, Schweizer Alternativen. Das zeigt «swiss made software» bereits seit zehn Jahren auf der Software-Seite. Hier gibt es Lösungen, bei denen man die Katze nicht im Sack kaufen muss. Mit «swiss hosting» will «swiss made software» jetzt beim Thema Cloud-Infrastruktur nachlegen. Das neue Label hilft, die Spreu vom Weizen zu trennen. Das neue Label ist ein einfach verständliches Qualitätssiegel, das sowohl Geschäfts- wie Privatkunden zeigt, dass ihre Daten nicht das Land verlassen – weder direkt noch indirekt. «swiss hosting» demonstriert damit gleichzeitig ein Stück Souveränität – und auch, dass man einfach einmal anfangen kann, eine andere Welt zu denken.
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