Christian Walter ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter von swiss made software. Bis Ende 2010 arbeitete er als Fachjournalist für das ICT-Magazin Netzwoche, publizierte zuletzt aber auch im Swiss IT Magazin, der Computerworld sowie inside-it.
Das Unternehmen Examiner will den Prüfungsprozess in Bildungseinrichtungen und Unternehmen durch Digitalisierung verbessern.
Es ist sicher wahr, dass die Pandemie die Digitalisierung an den Schulen vorangetrieben hat und weiter vorantreibt. Dabei geht es aber nicht nur um komplett neue Ansätze. Vielmehr finden Ideen Gehör, die vorher auf taube Ohren stiessen. Ein Beispiel ist das Thema Prüfungen, auf das sich das St. Galler Start-up Examiner fokussiert. Die hauseigene Swiss-Made-Lösung digitalisiert den gesamten Prüfungsprozess: Angefangen bei der Erstellung der einzelnen Aufgaben über deren Zusammenstellung zu Prüfungen mit anschliessender Durchführung bis zur Korrektur und Kommunikation der Ergebnisse an die Prüflinge.
Zwar besteht nach wie vor die Möglichkeit, eine Prüfung als PDF zu exportieren und analog durchzuführen. Der Fokus liegt aber klar auf der digitalen Bearbeitung. Dies geschieht im Rahmen einer SaaS-Lösung. Deswegen fokussiert Examiner auf Verbesserungen in jedem einzelnen Prozessschritt gegenüber dem Offline-Vorgehen. So können Lehrpersonen zum Beispiel kollaborativ einen Fragen-Pool erstellen und diesen anschliessend dynamisch für immer neu zusammengestellte Prüfungen einsetzen. Dabei reicht die Bandbreite von simplen Ja/Nein-Fragen über K-Prim oder Zuordnungsaufgaben bis zu verschiedenen Freitexttypen. Ist die Prüfung erstellt, verschickt der Prüfer einen Link oder generiert einen QR-Code zur Prüfung und die Prüflinge bearbeiten die Aufgaben im Browser auf ihren eigenen Geräten.
Flexibel und automatisiert
Die Lösung ist flexibel für Open- oder Closed-Book-Prüfungen einsetzbar: Gerade für letztere Variante wird darauf geachtet, dem Schummeln einen Riegel vorzuschieben. «Bei Closed-Book-Prüfungen sperrt unsere Lösung den laufenden Test, wenn ein Prüfling versucht, in eine andere Applikation zu wechseln», erklärt Mitgründer Pascal Bischof. Der Prüfer wird darüber im Live-Kontrollzentrum informiert. Er kann dann entscheiden, ob er die Sperrung wieder aufheben möchte.
Im Anschluss an den Test korrigiert das System die meisten Aufgabentypen vollständig automatisch. «Unsere automatische Korrektur macht Lösungsvorschläge, die die Lehrperson jederzeit anpassen kann», erklärt Pascal Bischof. Ein anderes Beispiel sind Lückentexte: Hier kann die Lehrperson zwar die richtigen Lösungen vorher festlegen, es besteht aber immer wieder die Möglichkeit, dass der Prüfling eine andere Lösung findet, die genauso richtig ist. «Da ist es wichtig, dass die Lehrperson die Korrektur anpassen kann», so Bischof.
Freitexte müssen nach wie vor vom Prüfer korrigiert werden, aber auch hier hält die Digitalisierung Einzug. Pascal Bischof: «Im Examiner können Schlüsselwörter hinterlegt werden, die der Examiner im Freitext erkennt und demensprechend bewertet. Dies unterstützt die Korrektur von Freitexten stark.» Der Prüfer kann den Text ausserdem auf ein Tablet exportieren und dort händisch korrigieren, dann ins System re-importieren und mit seinen Notizen verschicken. Und die Ansätze gehen bereits weiter. «Aktuell prüfen wir die Integration von KI, die die Korrektur von Freitexten übernehmen kann», so Pascal Bischof. Schliesslich kann die korrigierte Prüfung verschickt und sogar digital besprochen werden – sei es im Klassenzimmer via Musterlösung und Beamer oder durch Kommentare zu den einzelnen Aufgaben.
Examiner anstatt Sabbatical
Offiziell gibt es das Start-up seit August 2022, die erste Zeile Code wurde aber bereits vor sieben Jahren geschrieben. «Mein Mitgründer Florian Bentele hatte eine erste Version als Garagenprojekt für befreundete Lehrpersonen gebaut», erzählt Pascal Bischof. Hier konnte man nur Prüfungen zusammenstellen und diese anschliessend ausdrucken. Dennoch kam diese Variante so gut an, dass eine Schule auf den Entwickler aufmerksam wurde.
Pascal Bischof nahm einige Jahre später eigentlich ein Sabbatical, liess sich aber schnell überreden, an dem Projekt mitzuwirken. «Ich investierte ein halbes Jahr in die Vermarktung und Weiterentwicklung des Examiners. Dies vor allem, um zu testen, wie die Software auf dem Markt ankommt und welches Potenzial sie mitbringt», erinnert er sich. In ihrem Umfeld konnten die beiden drei weitere Gründer und Gründerinnen finden und das Unternehmen schlussendlich im August 2022 gründen. Mittlerweile hat Examiner Kunden in der Schweiz und Deutschland, darunter das BBZ Herisau, die Update Akademie oder die Muva Kempten. «Mit Hilfe unserer Applikation wurden bisher über 45’000 Prüfungen durchgeführt», so Bischof.
Expansion in den DACH-Raum
Für Nutzer gibt es zwei Modelle: Einzellizenzen oder Team-Lizenzen für ganze Schulen und Organisationen. «Eine einzelne Lehrperson, die ihre Arbeit effizienter gestalten will, ist für uns genauso ein Kunde wie eine ganze Berufsschule», so Bischof. Dieser Ansatz hat auch den Vorteil, dass man über individuelle Adaptoren leichter einen Fuss in die Tür bekommt.
Obwohl das Unternehmen mit einem klaren Fokus auf Bildungseinrichtungen gestartet ist, hat sich mittlerweile auch die Tür im Bereich Corporates geöffnet. «Ein Kunde ist zum Beispiel aus der Fitness-Branche», so Pascal Bischof. Denn es gibt auch in der Privatwirtschaft ein Bedürfnis nach modernen und effizienten Lösungen, über die sich das Wissen der Mitarbeitenden prüfen lässt. Sei es, um eine Lizenz als Fitnesstrainer zu erwerben oder auch als Beleg bei Compliance-Fragen. Pascal Bischof sieht in dieser Erkenntnis eine von zwei Leitplanken für die nächsten Entwicklungsschritte: Erstens wollen er und sein Team 2023 verstärkt auf Corporate-Kunden zugehen. Zweitens soll die Expansion in den ganzen DACH-Raum gelingen – mit anderen Worten mehr Kunden in Deutschland und der Schritt auf den österreichischen Markt.
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