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Digitalisierung der Prämienverbilligungen

lundi 31.08.2015 Christian Walter
Christian Walter

Christian Walter ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter von swiss made software. Bis Ende 2010 arbeitete er als Fachjournalist für das ICT-Magazin Netzwoche, publizierte zuletzt aber auch im Swiss IT Magazin, der Computerworld sowie inside-it.

Mit dem sM-Client schuf Cambridge Technology Partners eine Lösung, die über ihre ursprüngliche Anwendung hinaus verwaltungsübergreifend einsetzbar ist und zukunftsgerichtetes e-Gov repräsentiert.

Von der Volkszählung zu Prämienvergünstigungen: Wie der sM-Client die bestehende sedex Infrastruktur nutzt und erweitert.

Etwa ein Drittel der Schweizer Bevölkerung bezieht individuelle Prämienverbilligungen (IPV) für die obligatorische Krankenversicherung. Auf Verwaltungsebene werden deshalb jedes Jahr einige Millionen Meldungen generiert, die zur Abrechnung zwischen den Krankenkassen und Ausgleichskassen ausgetauscht werden. Bis vor Kurzem geschah dies noch weitgehend postalisch. 2010 erfolgte eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG), welche Anstoss zur Digitalisierung gab. So wurde festgelegt, dass ab Anfang 2014 die Prämienverbilligungsbeiträge in allen Kantonen direkt den Versicherern ausbezahlt werden müssen.

sedex als Basis

Hierfür nutzen die Ausgleichskassen sowie einige Krankenkassen die Software sM-Client (sedex Meldeclient) des Schweizer IT-Beratungsunternehmens Cambridge Technology Partners. Damit gelang die kostensparende Wiederverwertung zweier bestehender Infrastrukturen – des besagten sM-Clients, der schon für andere Bereiche im Einsatz war sowie die Plattform sedex (secure data exchange). Letztere war 2008 vom Bundesamt für Statistik eingeführt worden, um automatisch Volkszählungsdaten aus den Personenregistern des Bundes und den kantonalen und kommunalen Einwohnerregistern zu erheben. Ab 2009 tauchten andere Projekte auf, die denselben Grad an Vernetzung voraussetzten,aber mehr Funktionen und Flexibilität benötigten. Anstatt das Rad neu zu erfinden, suchte man auf Seiten der Verwaltung nach Möglichkeiten für eine zusätzliche Nutzung der bestehenden sedex-Infrastruktur. Cambridge gewann damals die Ausschreibung und entwickelte den sM-Client. Dieser ermöglicht seitdem den elektronischen Datenaustausch diverser Behörden und Institutionen als Anwender. Technisch handelt es sich um eine Schnittstelle zwischen sedex und den Fachanwendungen in den Behörden. Unter Verwendung von eCH-Standards werden XML-basierte Meldungen nachvollziehbar und sicher verschickt, empfangen, validiert und schliesslich zu den entsprechenden Zielverzeichnissen und -systemen triagiert. Da die volle Integration in die Zielsysteme (Fachapplikationen) nicht selten kostspielig ist, bietet der sM-Client einen Formularservice sowie Druckmöglichkeiten. Auf diese Weise können auch kleinere Verwaltungsstellen teilnehmen, ohne Technik und Prozesse gross umstellen zu müssen.

Zweitverwendung

Soviel zur Vorgeschichte. Nach 2010 sah sich die Verwaltung mit IPV wieder mit einem ähnlichen Problem konfrontiert. Im Unterschied zu 2009 stand mit dem sM-Client aber eine Lösung zur Verfügung, deren Flexibilität durch diverse Vorprojekte bereits belegt war. Ebenfalls ins Gewicht fiel der relativ knappe Zeitraum, in dem das Projekt umgesetzt werden musste. Der Projektbeginn für die technische Umsetzung war erst Anfang 2012, und die Lösung musste bis 01.01.2014 funktional sein. Eine besondere Herausforderung lag ausserdem in der Zersplitterung der beteiligten Parteien – organisatorisch, geografisch wie auch technisch. So musste an über 200 Endpunkten schweizweit entsprechende Infrastruktur vorhanden sein, um den sM-Client on-site zu betreiben. Gleichzeitig musste der sM-Client unterschiedliche technische Anforderungen erfüllen – gefordert war Kompatibilität mit den Betriebssystemen Windows, Linux, Unix sowie den Applikationsservern JBoss, Tomcat und den Datenbanken MySQL, MS SQL und Oracle. Schliesslich sollte er auf Einzelrechnern sowie aus dem Rechenzentrum betrieben werden können. Um die Erfüllung der Anforderungen bezüglichkorrektenDatenaustausches sicherzustellen,stellte Cambridge im Vorfeld der Einführung eine zentrale IPV-Testplattform bereit. Damit spielten die beteiligten Durchführungsstellen und Krankenversicherer alle Meldeprozesse durch. Die Testplattform übernahm dabei jeweils automatisch den Gegenpart. Verarbeiten sollte das System sieben verschiedene Meldeprozesse im Bereich IPV: Beispiele sind «Neue Verfügung», «Stopp einer Verfügung» oder «Anfrage Versicherungsverhältnis».

Einige Millionen Meldungen

Das Going-Live erfolgte planmässig am 01.01.2014. Im Verlauf des Jahres wurden einige Millionen IPV-Meldungen über den sM-Client geschickt. Dazu kamen mehrere Millionen Meldungen aus weiteren Fachbereichen, wie zum Beispiel Schnittstellen zum elektronischen Lohnmeldewesen (ELM) oder zum elektronischen Schuldbetreibungs- und Konkurswesen (eSchKG). Der sM-Client basiert auf Open-Source-Technologien, verwendet Java-Frameworks und ist mittlerweile in der fünften Version erhältlich.Seit ihrer Einführung macht die Software sM-Client eine beständige Evolution durch. So wurden im Kontext IPV zum Beispiel Einzelmeldungen mit Sammelmeldungen ergänzt. «Früher gab es bei jeder Änderung eine Einzelmeldung, heute kann auch ein ganzer Kanton in nur einer Meldung verarbeitet werden», berichtet Daniel Fasnacht, Managing Principal bei Cambridge Technology Partners. Damit einher ging eine Potenzierung der Lastanforderungen in der Meldungsverarbeitung innerhalb des sM-Clients. Dies wiederum bedingte die Erweiterung der Software mit Verarbeitungswarteschlangen. Weitere Features sind geplant. Dass die Software in verschiedenen Bereichen eingesetzt wird, hat den Vorteil, dass eine Weiterentwicklung in einem Teilprojekt auch den anderen Bereichen zugute kommt. «Es handelt sich um ein positives Beispiel für die verwaltungsübergreifende Entwicklung und Nutzung von Softwareinfrastrukturen in der ansonsten durch Themenfokus und Föderalismus geprägten Schweiz», so Daniel Fasnacht.

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