Interview FINMA: Der Regulator machts möglich
Techfirmen aus dem Silicon Valley sowie Start-ups wollen die Finanzbranche aufmischen. Doch die Branche ist stark reguliert, und ohne einen gesprächsbereiten Regulator sind viele Versuche zum Scheitern verurteilt.
Mehr über FINMA erfahrenDie IT-Industrie konnte sich bisher weitgehend frei von regulatorischen Hürden entwickeln, doch die Digitalisierung der Finanzindustrie erfordert ein Umdenken. Gerade infolge des Crashes von 2008 gibt es hier mehr Regeln denn je. Dennoch ist Fintech ein Buzzword geworden. Die Schweiz lief dem Trend bisher hinterher. Branchenexponenten sehen die Schuld unter anderem beim Schweizer Regulator, der FINMA. Neidisch schielen sie nach London, New York oder Singapur, glauben sie dort doch mehr Flexibilität in Bezug auf die Entwicklung zu sehen. Swiss made software sprach mit der FINMA über Fintech und die Rolle des Regulators im sich entwickelnden Fintech-Sektor.
- Christian Walter: Die Schweizer Fintech-Branche warf der FINMA immer wieder eine lange Reaktionszeit vor, gerade im Vergleich mit dem Vereinigten Königreich. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
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Finma: Die FINMA hat bereits relativ früh eine Praxis in Bezug auf Crowdfunding und den Umgang mit Bitcoins entwickelt. Entsprechende Hinweise wurden in den Geschäftsberichten 2012 und 2013 und in spezifischen Faktenblättern veröffentlicht. Grundsätzlich sind die Anfragen von Fintech-Unternehmen sehr verschieden. Sie betreffen unterschiedliche, komplexe und teilweise neue Rechtsfragen. Die FINMA ist sich bei Bewilligungsgesuchen der Situation der Gesuchsteller sehr bewusst. Entsprechend hat sie Prozesse implementiert, die eine effiziente und möglichst rasche Bearbeitung der Gesuche ermöglichen. Die Erwartungen von Interessenten, welche rasche Click&Go-Prozesse gewohnt sind, werden aber wohl auch diese Prozesse nicht befriedigen. Seriöse Abklärungen brauchen ihre Zeit.
- Trotzdem empfindet man bei den Fintechs den rechtlichen Rahmen häufig noch als unsicher.Die Beantwortung von Anfragen konnte mitunter bis zu acht Monate dauern. Im Vereinigten Könnigreich gibt es mittlerweile einen "Fast Track" mit Antworten binnen 24 Stunden. Wie ist die Position der FINMA dazu?
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Hier bitte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen! Auf eine einfache Anfrage bekommen Interessierte auch von der FINMA binnen kurzer Frist eine Antwort. Hingegen gibt es komplexere Bewilligungsgesuche, welche bei der FINMA acht Monate dauern. Hier wäre ein Fast-Track-Verfahren mit einem Turn-around von 24 Stunden nicht seriös.
- Was versteht man bei der FINMA denn unter Fintech?
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Fintech ist ein sehr breiter Begriff, der zahlreiche technologische Innovationen im Finanzbereich beschreibt.
- Welche Rolle nimmt Fintech auf der Agenda der FINMA ein?
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Die FINMA begrüsst Innovation von etablierten oder neuen Unternehmen im Finanzsektor, ist aber grundsätzlich neutral gegenüber bestimmten Geschäftsmodellen oder Technologien. Dennoch erachtet sie Innovation allgemein als wichtigen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes. Deshalb verfolgt die FINMA die Entwicklung aufmerksam, sowohl auf strategischer wie auf fachlicher Ebene.
- Innovation braucht Freiraum. Was will die FINMA tun, um neuen Ideen Raum für Experimente einzuräumen?
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Im Rahmen der Bestrebungen zum Abbau von Barrieren überlegt sich die FINMA insbesondere, ob und wie die bewilligungsfreie Tätigkeit klarer abgegrenzt und leicht ausgedehnt werden soll. Damit könnte eine Art Entwicklungsfeld geschaffen werden, in dem neue Geschäftsmodelle im kleinen Rahmen mit überschaubaren Risiken erprobt werden können – Stichwort "Regulatory Sandbox". Allerdings obliegen mögliche damit verbundene Änderungen des Bankengesetzes oder der Bankenverordnung dem Gesetzgeber beziehungsweise dem Bundesrat.
- Eine Banking-Lizenz Light wurde ebenfalls angekündigt. Was soll diese umfassen?
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Die FINMA schlägt eine "Bewilligung light" vor, welche tiefere Anforderungen stellt als zurzeit vom Bankengesetz vorgesehen. Diese neue Bewilligungskategorie soll grundsätzlich allen Interessierten – also nicht nur Fintech-Unternehmen – offenstehen. Eine erleichterte Bewilligungserteilung muss aber an zwei Bedingungen geknüpft sein. Erstens muss es sich um kleinere Volumina handeln. Zweitens darf das Institut keine Fristentransformation durchführen, das heisst, es darf mit kurzfristigen Einlagen keine langfristigen Kredite vergeben. Aufgrund dieser Einschränkung entfallen . sowohl Liquiditätsrisiken als auch Zinsänderungsrisiken. Die finanziellen Risiken der Kunden und ihr Schutzbedürfnis sind so viel kleiner als bei einer traditionellen Bank. Allenfalls notwendige Änderungen von Gesetzes oder Verordnung sind aber auch hier wieder in der Verantwortung des Gesetzgebers beziehungsweise des Bundesrats.
- Sind die Volumina bereits festgelegt?
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Nein, bisher nicht.
- Aus Sicht der Öffentlichkeit hat sich gerade im letzten Jahr einiges getan – Stichwort Online-ID und Banking-Lizenz Light. Sind dies Anzeichen für einen neuen Diskurs?
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Es ist richtig, dass verschiedene Themen im letzten Jahr deutlicher sichtbar geworden sind. Der Fokus der Bestrebungen der FINMA liegt auf dem Abbau von Barrieren für Fintech-Unternehmen, auf der Herstellung der Technologie-Neutralität in der Regulierung und auf der Pflege des Kontakts mit den Marktteilnehmern.
- Was wäre der beste Weg, für die verschiedenen Stakeholder auf Industrieseite mit der FINMA in Dialog zu treten?
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Die FINMA verfügt über eine zentrale Anlaufstelle, die alle Anfragen koordiniert. Zudem hat die FINMA punktuell Plattformen für den Dialog geschaffen oder nimmt an externen Veranstaltungen teil. 2016 wird die FINMA für Interessierte beispielsweise eine Roundtable-Veranstaltung zu Fintech-spezifischen Themen durchführen
- Gibt es einen Unterschied zwischen dem altbekannten Klientel eher grosser, international agierender Firmen und Start-ups?
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Die FINMA steht bereits seit einigen Jahren nicht nur mit etablierten Marktteilnehmern, sondern auch potenziellen neuen Wettbewerbern aus dem Fintech-Bereich im Kontakt. Die Bedürfnisse, aber auch die Erfahrung mit Fragen des Aufsichtsrechts sind naturgemäss unterschiedlich. Bei bestimmten Geschäftsmodellen oder Tätigkeiten stellen sich eher Fragen einer Unterstellung unter das Geldwäschereigesetz, bei anderen geht es eher um die Tätigkeit als Bank. Dabei ist es für die FINMA jeweils zentral, das Geschäftsmodell oder die angewendete Technologie genau zu verstehen, um eine Beurteilung vornehmen zu können.
- Die FINMA hat Bitcoin früh als Fremdwährung anerkannt. Ein Grund, aus dem viele solcher Start-ups angeben in die Schweiz gekommen zu sein. Ist das ein Erfolg, der weiteres Nachdenken gefördert hat?
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Die FINMA erachtet Innovation allgemein als wichtigen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes. Vor diesem Hintergrund hat die FINMA frühzeitig eine Praxis im Umgang mit Geschäftsmodellen, welche auf Bitcoins basieren, entwickelt.
- Blockchain ist gerade in aller Munde. Wie ist Ihre aktuelle Position hier?
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Die FINMA verfolgt dieses Thema eng und ist mit der Branche bezüglich den regulatorischen Herausforderungen in Kontakt.
- Thema Crowdfunding: Zurzeit werden hier Beträge wie Bankeinlagen behandelt. Das macht es für die Plattformen schwer am Markt zu agieren. Soll das so bleiben?
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Genau für diese Anwendungsbeispiele soll die "Bewilligung light" Erleichterungen bringen. Das letzte Wort hat aber wieder der Gesetzgeber beziehungsweise der Bundesrat.
- Wie soll es 2016 weitergehen?
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Die Agenda wird vom Bundesrat gesetzt, darauf haben wir keinen Einfluss und verfügen auch nicht über entsprechende Informationen.
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